Multiple Sklerose
Multiple Sklerose (MS) – Eine Herausforderung des zentralen Nervensystems
In den westlichen Industrienationen zählt multiple Sklerose (MS) zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen bei jungen Erwachsenen. MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), zu dem Gehirn, Rückenmark und die Sehnerven gehören. Diese Erkrankung manifestiert sich oft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und kann in ihrem Verlauf stark variieren. Die Symptome von MS sind äußerst vielfältig und hängen von den betroffenen Bereichen des Nervensystems ab.
Die Vielfalt der Symptome bei MS
Die Symptome von MS sind so vielfältig wie die verschiedenen Bereiche des zentralen Nervensystems, die betroffen sein können. Je nach Schweregrad der Schädigung können sie das alltägliche Leben kaum beeinträchtigen oder stark beeinflussen. Häufige Symptome sind:
1. Schnelle und häufige Erschöpfbarkeit (Fatigue): Diese Form der Erschöpfung tritt bei den meisten Menschen mit MS auf und sollte nicht mit fehlender Willenskraft verwechselt werden.
2. Schwäche, Lähmungen oder Zittern: Diese motorischen Einschränkungen können die Beweglichkeit stark beeinflussen.
3. Missempfindungen: Dazu gehören Taubheitsgefühle oder das Gefühl von “Ameisenkribbeln”.
4. Schmerzen: MS kann Schmerzen verursachen, wie beispielsweise ein Brennen an den Gliedmaßen oder schmerzhafte Empfindungen von Kälte oder Hitze in den Händen oder Füßen.
5. Sehstörungen: Diese können Sichteinschränkungen oder doppeltes Sehen beinhalten.
6. Koordinationsprobleme: Unkontrollierte Bewegungen, auch Ataxie genannt, können auftreten.
7. Gleichgewichtsstörungen: Diese können das Risiko von Stürzen erhöhen.
8. Störungen der Blasen- und Darmentleerung: Dies kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Die Symptome treten oft in Schüben auf, was bedeutet, dass es Zeiten mit Beschwerden gibt, gefolgt von beschwerdefreien Perioden. Diese Form wird als schubförmig verlaufende MS bezeichnet. In dieser Phase können die Symptome nach einem Schub fast vollständig zurückgehen.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen von MS sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass sowohl genetische Veranlagung als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Bei MS führt eine Autoimmunreaktion dazu, dass das Immunsystem körpereigenes Gewebe, insbesondere die Myelinscheide, angreift. Dies führt zu Entzündungen und Schäden an den Nervenfasern, was letztendlich die Funktionsfähigkeit des Nervensystems beeinträchtigt.
Risikofaktoren für MS sind unter anderem das weibliche Geschlecht, Leben in nördlichen Breitengraden, genetische Veranlagung, Rauchen, Übergewicht in der Kindheit und Jugend, Vitamin-D-Mangel, familiäre Vorkommen von MS oder Autoimmunerkrankungen und eine frühere Epstein-Barr-Virusinfektion. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass Impfungen MS auslösen können.
Häufigkeit und Verlauf
MS ist eine häufige neurologische Erkrankung bei jungen Erwachsenen und tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Frauen erkranken etwa dreimal häufiger als Männer. In Europa sind rund 125 von 100.000 Personen von MS betroffen, wobei Menschen aus Europa und Nordamerika häufiger erkranken als Menschen aus anderen Teilen der Welt.
Der Verlauf von MS kann in zwei Phasen unterteilt werden: Die Entzündungsphase, in der das Immunsystem das Nervensystem angreift, und die degenerative Phase, in der Nervenstrukturen abgebaut werden. Es gibt auch verschiedene Verlaufsformen, darunter das klinisch-isolierte Syndrom, schubförmig-remittierende MS, sekundär-progrediente MS und primär-progrediente MS. Der Verlauf ist jedoch schwer vorherzusagen und variiert stark von Person zu Person.
Wie wird multiple Sklerose festgestellt?
Die Diagnose von multipler Sklerose (MS) erfordert eine gründliche Untersuchung. Erste Hinweise liefern die persönliche und familiäre Krankengeschichte sowie eine umfassende neurologische Untersuchung. Diese Untersuchung umfasst:
1. Untersuchung von Augen und Sehfunktion: Augenbewegungen und Sehschärfe werden überprüft, da Sehstörungen oft eines der ersten Anzeichen von MS sind.
2. Untersuchung von Muskelspannung, Muskelkraft und Reflexen der Gliedmaßen: Dies hilft, eventuelle Lähmungen oder Muskelprobleme festzustellen.
3. Bewertung des Gangbilds und der Koordination: Gangstörungen und Koordinationsprobleme sind häufige Symptome bei MS.
4. Untersuchung der sensiblen Funktionen am gesamten Körper: Dazu gehören das Wahrnehmen von Berührung, Schmerz, die Lage des Körpers im Raum und Temperaturwahrnehmung.
Sollten diese Untersuchungen auf MS hinweisen, folgt oft eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und des oberen Rückenmarks. Dies ist eine äußerst aussagekräftige Methode zur Visualisierung von MS-Läsionen.
Es ist auch wichtig, das Nervenwasser (Liquor) zu untersuchen, um Hinweise auf Entzündungen des zentralen Nervensystems zu finden. Dies geschieht durch eine Lumbalpunktion, bei der eine Probe aus dem Wirbelkanal im Lendenwirbelbereich entnommen wird.
Zusätzlich können evozierte Potenziale durchgeführt werden, um mögliche Leitungsstörungen der Nervenbahnen zu erkennen. Dies sind elektrische Messungen, die beispielsweise die Sehbahn testen.
Blutuntersuchungen können ebenfalls sinnvoll sein, um andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen, wie z.B. Schilddrüsenüberfunktion, Schilddrüsenunterfunktion oder Diabetes Typ 2.
Wie behandelt man multiple Sklerose?
Obwohl MS bislang nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten, um die Krankheit zu behandeln:
1. Schubtherapie:
Bei akuten Schüben werden entzündungshemmende Glukokortikosteroide, in der Regel Methylprednisolon, verwendet. Diese werden über mehrere Tage intravenös verabreicht. In seltenen Fällen kann auch eine orale Ausschleichphase mit niedrig dosiertem Methylprednisolon erfolgen. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, kann eine Plasmaseparation oder Immunadsorption in Betracht gezogen werden, um schädliche Antikörper aus dem Blut zu entfernen.
2. Dauertherapie:
Es stehen verschiedene Immunsuppressiva zur Verfügung, die darauf abzielen, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Die Wahl des Medikaments hängt von der Verlaufsform und Schwere der Erkrankung ab. Hierbei gibt es eine Vielzahl von Optionen, darunter Injektionen, Tabletten und Infusionen.
3. Symptomatische Therapie:
Die Behandlung richtet sich nach den individuellen Symptomen und Beeinträchtigungen. Hierbei spielen Physio- und Ergotherapie eine wichtige Rolle, insbesondere bei Lähmungen, Koordinationsproblemen, Spastik und Gleichgewichtsstörungen. Medikamente können bei der Behandlung von Spastik und Gangstörungen helfen. Logopädische Therapie ist bei Sprach-, Sprech- oder Schluckstörungen notwendig.
Wie sieht das Leben mit multipler Sklerose aus?
Das Leben mit MS kann eine Herausforderung darstellen, da die Erkrankung chronisch ist und oft mit Behinderungen einhergeht. Dennoch gibt es Möglichkeiten, die Lebensqualität zu verbessern:
– Austausch mit Betroffenen: Selbsthilfegruppen bieten die Gelegenheit, Erfahrungen und Strategien mit anderen Betroffenen zu teilen und emotionalen Halt zu finden.
– Aktiv sein und gesund essen: Regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung können dazu beitragen, sich besser zu fühlen.
– Rauchverzicht und Stressmanagement: Das Aufgeben des Rauchens und die Vermeidung von Stress können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
– Kontrolluntersuchungen: Regelmäßige Arztbesuche sind wichtig, um Begleiterkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Es ist entscheidend, sich über die Erkrankung gut zu informieren und mit medizinischen Fachleuten zusammenzuarbeiten, um die bestmögliche Behandlung und Unterstützung zu erhalten.
Für weiterführende Informationen zur Diagnostik und Therapie von MS können die “Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten” der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. sowie die Website der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V. nützlich sein. Diese bieten umfassende Ressourcen und Antworten auf häufig gestellte Fragen.
Wichtig ist zu betonen, dass die Informationen in diesem Artikel keinen Arztbesuch ersetzen können und nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden sollten. Es ist entscheidend, bei Verdacht auf MS einen Facharzt zu konsultieren, um eine genaue Diagnose und geeignete Behandlungsoptionen zu erhalten.