Hämophilie
Hämophilie – Die Bluterkrankheit
Hämophilie, oft als “Bluterkrankheit” bekannt, ist eine Erkrankung, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Dies führt dazu, dass Wunden sich nur verzögert schließen und es auch im Körper zu Blutungen kommen kann. Lesen Sie hier mehr über die Ursachen, Symptome und Behandlung der Hämophilie.
Was ist eine Hämophilie?
Hämophilie, oft als “Bluterkrankheit” bezeichnet, ist eine Störung der Blutgerinnung, bei der das Blut wesentlich langsamer gerinnt als bei gesunden Menschen. Dies führt dazu, dass Wunden sich nur verzögert schließen.
Bei Hämophilie können auch innere Blutungen im Körper auftreten, die beispielsweise durch Quetschungen oder Stürze verursacht werden. Diese inneren Blutungen können Organe, Muskeln und Gelenke schädigen.
Es gibt verschiedene Formen der Hämophilie, wobei Hämophilie A und B die bekanntesten sind. Bei beiden Formen fehlt ein für die Blutgerinnung notwendiges Protein, nämlich Gerinnungsfaktor VIII bei Hämophilie A und Gerinnungsfaktor IX bei Hämophilie B. Hämophilie A tritt häufiger auf als Hämophilie B.
Symptome der Hämophilie
Die Schwere der Hämophilie kann variieren, und die Symptome hängen davon ab:
– Leichte Hämophilie: Personen mit leichter Hämophilie haben im Alltag oft kaum Beschwerden. Die Erkrankung wird häufig erst im Jugend- oder Erwachsenenalter entdeckt, zum Beispiel wenn Blutungen nach Verletzungen oder Operationen länger anhalten als üblich.
– Mittelschwere Hämophilie: Bei mittelschwerer Hämophilie treten gelegentlich längere Blutungen auf, meistens nach Verletzungen oder Operationen. Blutungen ohne erkennbare Ursache sind seltener.
– Schwere Hämophilie: Bei schwerer Hämophilie sind innere Blutungen häufiger und können Schmerzen verursachen. Sie treten oft in Gelenken und Muskeln auf, ohne offensichtlichen Auslöser. Besonders gefährlich sind Blutungen in Bauch, Rachen und Gehirn.
Es ist wichtig zu beachten, dass schwere Hämophilie in der Regel frühzeitig, oft schon bei Säuglingen oder Kleinkindern, diagnostiziert wird. Zu den ersten Anzeichen gehören leicht auftretende blaue Flecken (Hämatome) und Blutungen in Gelenken und Muskeln.
Ursachen der Hämophilie
Hämophilie ist in der Regel genetisch bedingt und wird vererbt. Den Betroffenen fehlt ein bestimmter Gerinnungsfaktor im Blut, der aufgrund eines genetischen Defekts nicht richtig gebildet wird.
Die Gene für die Gerinnungsfaktoren liegen auf dem X-Chromosom. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer haben nur eines. Wenn eine Frau ein defektes Gen auf einem X-Chromosom hat, kann das intakte Gen auf dem anderen X-Chromosom die Blutgerinnung normalerweise aufrechterhalten. Eine Frau mit beiden defekten Genen ist äußerst selten.
Bei Männern hingegen, die nur ein X-Chromosom haben, führt ein Defekt in diesem Gen dazu, dass sie häufiger an Hämophilie erkranken.
Häufigkeit der Hämophilie
Die Hämophilie betrifft etwa 2 von 10.000 Männern. In Deutschland gibt es schätzungsweise 10.000 Männer mit Hämophilie, von denen 3.000 bis 5.000 an einer schweren Form leiden.
Verlauf der Hämophilie
Einmal aufgetretene Gelenkblutungen erhöhen das Risiko für weitere Blutungen und können zu Deformationen und Steifheit der Gelenke führen (Hämarthrose). In fortgeschrittenen Fällen können Menschen mit Hämarthrose ihre Arme oder Beine kaum noch bewegen und sind auf Hilfsmittel wie Rollstühle angewiesen.
Größere Blutungen in die Muskulatur erhöhen den Druck auf umliegendes Gewebe, Blutgefäße und Nerven, was zu Nervenschäden führen kann.
Obwohl innere Blutungen im Gehirn selten sind, können sie das Denkvermögen, die Konzentration oder das Gleichgewicht beeinträchtigen und lebensbedrohlich sein.
Andere innere Blutungen können die Atmung im Mund-Rachen-Bereich behindern oder zu starkem Blutverlust in der Bauchhöhle führen, was lebenswichtige Organe gefährden kann.
Behandlung von Hämophilie
Die Behandlung von Hämophilie besteht darin, den fehlenden Gerinnungsfaktor zu ersetzen, indem dieser als Wirkstoff injiziert wird. Es gibt zwei verschiedene Ansätze zur Behandlung:
1. Bedarfsorientierte Therapie: Bei dieser Methode wird der fehlende Gerinnungsfaktor nur dann verabreicht, wenn es erforderlich ist, beispielsweise bei Blutungen oder vor geplanten Eingriffen wie Operationen oder Zahnextraktionen. Dies dient dazu, den Blutverlust zu begrenzen.
2. Prophylaktische Therapie: Bei schwerer Hämophilie wird in der Regel eine vorbeugende Behandlung empfohlen. Dabei wird der fehlende Gerinnungsfaktor in regelmäßigen Abständen verabreicht, um die Blutungsneigung zu verringern. Nach einer Schulung können die Betroffenen den Wirkstoff selbstständig verabreichen.
Es ist wichtig zu beachten, dass bei leichten Formen von Hämophilie auch andere Medikamente eingesetzt werden können, um die Blutgerinnung zu stabilisieren. Dazu gehören die Wirkstoffe Tranexamsäure und Desmopressin. Desmopressin setzt Gerinnungsfaktoren frei, die in den Blutgefäßen gespeichert sind. Bei starken Beschwerden können auch schmerzstillende Medikamente wie Ibuprofen verwendet werden, da sie die Blutgerinnung nicht beeinflussen. Acetylsalicylsäure (ASS) hingegen ist ungeeignet, da sie die Blutungsneigung verstärken kann.
Leben mit Hämophilie
Durch die Behandlung mit Gerinnungsfaktoren können Menschen mit Hämophilie ein weitgehend normales Leben führen. Sie müssen lediglich Aktivitäten vermeiden, die die Gelenke stark beanspruchen oder ein hohes Verletzungsrisiko bergen. Dies kann Sportarten mit viel Körperkontakt, Mountainbiken, Skifahren oder auch handwerkliche Berufe einschließen. Die Anpassung der Behandlung an die individuelle Blutungsneigung ist entscheidend.
Körperliche Aktivitäten sind wichtig, um die Muskeln zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und den Gleichgewichtssinn zu schulen. Sport und regelmäßige Bewegung können dazu beitragen, Verletzungen mit Blutungen zu verhindern.
Für Menschen mit Hämophilie bleibt das Leben trotz der Erkrankung herausfordernd und erfordert Anpassungen im Alltag. Das Selbstspritzen der Medikamente erfordert Übung, insbesondere bei Kindern mit schwerer Hämophilie. Diese lernen oft schon früh, wie sie bei akuten Blutungen handeln können.
Weitere Informationen und Unterstützung
In Deutschland gibt es spezialisierte Hämophilie-Zentren, die sich auf die Behandlung dieser Erkrankung spezialisiert haben. Viele dieser Zentren bieten neben medizinischer Betreuung auch psychosoziale Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Hämophilie und deren Eltern an.
Seit 2019 können Betroffene eine “ambulante spezialfachärztliche Versorgung” (ASV) in Anspruch nehmen. Dabei arbeiten verschiedene Fachärzte eines Krankenhauses zusammen und bieten spezielle Sprechstunden an, einschließlich Ärzten für innere Medizin, Orthopädie und Spezialisten für Blutgerinnungsstörungen (Transfusionsmediziner). Bei jüngeren Patienten gehört auch ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit entsprechender Weiterbildung zum Team. Eine Liste aller ASV-Kliniken finden Sie auf der Website der ASV-Servicestellen.
Zusätzlich bieten Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen Unterstützung für Menschen mit Hämophilie und deren Familien an.