Mit Depression umgehen
Depression verstehen und bewältigen: Eine wissenschaftliche Perspektive für Menschen ab 50+
Einführung
In unserer heutigen Gesellschaft sind Depressionen eine der häufigsten psychischen Erkrankungen, doch leider suchen nur wenige Betroffene professionelle Hilfe. Dieser Beitrag richtet sich an Menschen ab 50+, die möglicherweise bei sich selbst oder bei ihren nahestehenden Personen Anzeichen von depressiver Stimmung, Antriebslosigkeit oder Interessenverlust bemerken. Wir werden die grundlegenden Aspekte einer Depression beleuchten und Ihnen wissenschaftlich fundierte Ansätze vorstellen, wie Sie mit dieser herausfordernden Situation umgehen können. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Informationen in diesem Artikel einen Arztbesuch nicht ersetzen sollen und nicht zur Selbstbehandlung verwendet werden dürfen.
Was ist eine Depression?
In Deutschland sind etwa 8% der Menschen jedes Jahr von einer Depression betroffen, doch nur etwa ein Drittel dieser Fälle wird diagnostiziert. Lediglich rund 4% der Menschen mit einer Depression erhalten langfristig eine angemessene Behandlung. Diese Zahlen verdeutlichen die Relevanz dieses Themas und die Notwendigkeit, Aufklärung und Unterstützung zu bieten.
Die Symptome einer Depression sind vielfältig und können von einer gedrückten Stimmung über Interessenverlust, Antriebslosigkeit, verminderte Konzentration bis hin zu Selbstwertproblemen, Schuldgefühlen und sogar Selbsttötungsgedanken reichen. Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Depression nicht einfach eine vorübergehende Traurigkeit ist, sondern eine ernsthafte psychische Erkrankung, die medizinische Hilfe erfordert.
Der Unterschied zwischen Trauer und Depression
Trauer nach einem Verlust ist ein natürlicher Prozess, der durch die Sehnsucht nach der verlorenen Person geprägt ist. Im Gegensatz dazu geht es bei einer Depression über die Trauer hinaus und beeinflusst das allgemeine Wohlbefinden und die Funktionsfähigkeit einer Person. Es ist möglich, dass Trauer in manchen Fällen in eine Depression übergeht. In jedem Fall ist es wichtig, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um angemessen mit solchen Gefühlen umgehen zu können.
Typisches Verhalten bei einer Depression
Depressionen gehen oft mit einem Rückzug von sozialen Aktivitäten und Pflichten einher. Dieser Rückzug kann jedoch zu einer Abwärtsspirale führen, bei der sich die negativen Gedanken verstärken. Menschen mit Depressionen neigen dazu, Schwarz-Weiß-Denken anzuwenden und das Negative zu überbetonen. Dies kann dazu führen, dass sie sich von ihren sozialen Kontakten isolieren, was wiederum die Situation verschlimmert.
Ein Beispiel ist der Rückzug von beruflichen Verpflichtungen. Während es anfangs entlastend sein mag, dem Arbeitsdruck aus dem Weg zu gehen, kann dies zu vermehrtem Grübeln und negativen Gedanken führen. Gleichzeitig entgehen einem die positiven Aspekte der Arbeit, wie soziale Interaktion und Erfolgserlebnisse.
Bewältigungsstrategien für depressive Verstimmung
Es gibt jedoch Strategien, um dieser Abwärtsspirale entgegenzuwirken:
1. Aktiv bleiben: Selbst wenn die Lust fehlt, ist es wichtig, sich zu kleinen Aktivitäten zu motivieren. Studien haben gezeigt, dass körperliche Bewegung und Aktivitäten die Stimmung verbessern können.
2. Realistische Ziele setzen: Anstatt sich große Ziele zu setzen, die in der aktuellen Situation unerreichbar erscheinen, sollten realistische und erreichbare Ziele definiert werden. Selbst kleine Erfolge können das Selbstwertgefühl stärken.
3. Soziale Unterstützung suchen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann entlastend sein. Dies kann durch den Besuch von Selbsthilfegruppen oder den Kontakt zu professionellen Beratern geschehen.
4. Umgang mit negativen Gedanken: Depressive Gedanken sind oft von bestimmten Denkmustern geprägt. Das Erkennen und Herausfordern dieser Gedankenmuster kann zu einer positiveren Sichtweise führen.
Umgang mit depressiven Gedanken: Denkmuster erkennen und ändern
Negative Gedanken beeinflussen unsere Stimmung und unser Verhalten auf subtile Weise. Ein wichtiger Schritt im Umgang mit Depressionen ist daher, diese Gedankenmuster zu identifizieren und herauszufordern. Hier sind einige Beispiele für typische Denkmuster, die zu negativen Gefühlen führen können, sowie alternative Gedanken:
1. Verallgemeinerungen: Depressive Gedanken wie “Niemand liebt mich”, wenn eine Freundin ein Treffen absagt, sind Verallgemeinerungen. Eine hilfreichere Sichtweise könnte sein, die individuellen Umstände zu berücksichtigen und nicht alles persönlich zu nehmen.
2. Ereignisse persönlich nehmen: Negative Ereignisse werden oft persönlich auf sich bezogen. Hierbei ist es wichtig zu erkennen, dass das Verhalten anderer Menschen nicht zwangsläufig etwas über die eigene Wertigkeit aussagt.
3. Schwarz-Weiß-Denken: Das Aufteilen von Situationen in “gut” oder “schlecht” führt oft zu übertriebenen Selbsturteilen. Die Realität liegt oft in einer Grauzone, in der Fehler normal sind und niemand ausschließlich gut oder schlecht ist.
4. Unrealistische Wünsche: Das Streben nach unrealistischen Idealen kann zu Unzufriedenheit führen. Ein gesünderer Ansatz ist die Akzeptanz und Wertschätzung der eigenen Stärken und Schwächen.
Typische Gedanken bei anhaltender Trauer
Der Verlust eines geliebten Menschen kann zu anhaltender Trauer führen, begleitet von Gedanken, die den Verarbeitungsprozess erschweren können. Hier sind einige Beispiele solcher Gedanken und alternative, hilfreiche Sichtweisen:
Beispielgedanke 1:
– Hinderlicher Gedanke: “Ich verrate meine Liebe zu ihm/ihr, wenn ich mein Leben weiterlebe.”
– Hilfreicher Gedanke: “Sie/er würde sich wünschen, dass ich glücklich weiterlebe.”
Beispielgedanke 2:
– Hinderlicher Gedanke: “Ich hätte den Tod verhindern können, wenn ich XY getan hätte.”
– Hilfreicher Gedanke: “Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.”
Beispielgedanke 3:
– Hinderlicher Gedanke: “Ich möchte ohne sie/ihn nicht mehr leben.”
– Hilfreicher Gedanke: “Sie/er würde nicht wollen, dass ich so sehr leide.”
Beispielgedanke 4:
– Hinderlicher Gedanke: “Es ist so ungerecht, dass sie/er sterben musste.”
– Hilfreicher Gedanke: “Ihr/Sein Leid hat nun ein Ende gefunden.”
Eine depressive Phase geht vorbei
Es ist wichtig zu verstehen, dass eine depressive Phase nicht für immer anhält. Trotz der Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, die sie begleiten können, dauert eine durchschnittliche depressive Episode etwa 16 Wochen. Dies bedeutet, dass die meisten Menschen mit Depressionen sich im Laufe der Zeit erholen und sich ihre Stimmung verbessert.
Erkennen und Verändern von depressiven Gedanken
Die Art und Weise, wie wir über bestimmte Situationen denken, kann unsere Stimmung erheblich beeinflussen. In der kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, negative Gedankenmuster zu erkennen und zu ändern. Hier ist ein praktisches Beispiel, wie dies ablaufen kann:
1. Situation, Gedanken und Gefühl identifizieren: Beschreiben Sie eine Situation neutral, notieren Sie Ihre Gedanken darüber und die damit verbundenen Gefühle. Zum Beispiel: Eine Freundin sagt ein Treffen ab. Gedanke: “Mir wird ständig abgesagt, niemand will Zeit mit mir verbringen. Ich bin wertlos.” Gefühl: Niedergeschlagenheit.
2. Negative Gedanken überprüfen: Fragen Sie sich, ob Ihre Gedanken auf realistischen Beweisen beruhen. Gibt es Beweise für Ihre Schlussfolgerungen? In unserem Beispiel könnte die Tatsache, dass zwei Treffen hintereinander abgesagt wurden, zu der Annahme führen, dass es an einem persönlichen Problem liegt. Aber gibt es andere mögliche Erklärungen?
3. Entwicklung hilfreicher Gedanken: Formulieren Sie alternative, hilfreiche Gedanken. Zum Beispiel: “Meine Freundin hat wahrscheinlich eigene Gründe für die Absage, die nichts mit meiner Wertigkeit zu tun haben. Es ist nicht fair, mich selbst abzuwerten.” Dies kann zu einer positiveren Sichtweise und Verbesserung der Stimmung führen.
Wann ist professionelle Hilfe erforderlich?
Sowohl Psychotherapie als auch medikamentöse Behandlung können bei Depressionen effektiv sein. Wenn Sie vermuten, dass Sie an einer Depression leiden könnten, ist es ratsam, mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin darüber zu sprechen. Bei leichteren Symptomen können Sie zunächst abwarten und einen Folgetermin in ein bis zwei Wochen vereinbaren. Wenn sich Ihre Stimmung nicht bessert, ist eine psychotherapeutische oder psychiatrische Beratung ratsam.
Wie findet man professionelle Hilfe?
Die Suche nach Psychotherapeuten oder Psychiatern in Ihrer Nähe kann über die Kassenärztliche Vereinigung erfolgen. Sie können die 116 117 anrufen oder die Online-Arztsuche verwenden. Weitere Informationen zur Psychotherapeutensuche finden Sie auf der Seite “Wege zur Psychotherapie” der Bundespsychotherapeutenkammer.
Hinweis: Denken Sie daran, dass die Informationen in diesem Artikel wertvolle Hinweise bieten können, aber nicht den Rat eines medizinischen Fachmanns ersetzen. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, unter Depressionen leidet, suchen Sie bitte professionelle Hilfe auf.
Schlussbetrachtung
Der Umgang mit Depression erfordert Geduld, Selbstfürsorge und oft professionelle Unterstützung. Der Austausch mit anderen Betroffenen, das Erkennen von negativen Denkmustern und das Setzen kleiner, erreichbarer Ziele können dazu beitragen, die Abwärtsspirale zu durchbrechen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Depressionen nicht einfach überwunden werden können, sondern eine kontinuierliche Anstrengung erfordern. Bei Verdacht auf eine Depression ist es ratsam, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen,